Gefahrtragung
Die Gefahr bestimmt, ist das Risiko des zufälligen Untergangs oder der wesentlichen Verschlechterung der Sache. Gefahrtragung kann man nur verstehen, wenn man Art. 119 i.V.m. Art. 185 OR anschaut.
Zufällig heisst, dass keine der Parteien den Untergang zu verschulden hat, sondern ein Dritter oder Niemand (Blitz, Wetter, Tier)
Grundsätzlich hat der Eigentümer die Gefahr zu tragen.
Gefahr wird unterschieden in Sachleistungsgefahr und Kaufpreisgefahr
Sachleistungsgefahr
Gefahr eine neue Sache zu beschaffen/ nochmals herstellen müssen. Die Gefahr trifft den Verkäufer bei Gattungsschulden bis zur Konkretisierung (Aussonderung), danach freiwerden des Verkäufers von seiner Leistungspflicht nach 119 Abs.1 OR. Er kann dann die Zahlung vorläufig immer noch verlangen, ausser es tritt ein Fall von 119 Abs. 2 ein.
Zeitpunkt des Gefahrübergangs
Kaufpreisgefahr
– Einerseits gemäss Art. 119 Abs. 2 die Gefahr für den Verkäufer wegen des Untergangs der Sache nun auch den Kaufpreis nicht mehr zu erhalten. (was eig. ja nur fair ist, dass beide Leistungen entweder gemeinsam erbracht oder nicht erbracht werden)
– Andererseits gemäss Art. 119 Abs. 3 die Gefahr für den Käufer, dass er trotz Untergang der Sache, trotzdem bezahlen muss, weil die Gefahr schon auf den Käufer übergegangen ist. (Das ist meist unfair, weil der Käufer etwas bezahlen muss, das untergegangen ist.)
Die Gefahr geht nach Art. 185 über im Moment des Vertragsschlusses über aber nicht bei jedem Vertrag, sondern nur wenn Stück- und Holschuld vereinbart ist. (Schmale Anwendungsbereich des umstrittenen Art. 185 OR)
Ansonsten gilt der Grundsatz, dass der Eigentümer die Gefahr zu tragen hat. Somit geht die Gefahr mit der Erfüllung des Vertrages (Verfügungsgeschäft = Eigentumsübertragung) über.
Begründung für den frühen Gefahrübergang
Art. 185 ist ein ungünstiger Art. für den Käufer, denn er verlangt, dass Nutzen und Gefahr bereits mit dem Vertragsschluss (Verpflichtungsgeschäft) und nicht erst wie sonst üblich mit der Übergabe (Verfügungsgeschäft) und Übereignung stattfindet.
So kommt es zu komischen Situationen, in denen ein Käufer die Gefahr bereits tragen muss, obwohl er die Sache noch gar nicht erhalten hat und sie auch noch nicht beschützen kann.
Der Grund dafür kommt aus der Geschichte:
Man stellt sich vor, ein Käufer kauft einige Säck Mehl auf dem Markt, möchte diese aber nicht umhertragen und lässt sie mal vorläufig noch beim Verkäufer. Das ist mühsam für den Verkäufer, weil er als eine Art «Warenlager» missbraucht wird, und auf die Sache aufpassen muss.
So hat man entschieden, dass die Gefahr beim Käufer liegen soll, um den Verkäufer zu entlasten.
Wieso nur bei Stück und Holschuld?
Um diesen ausserordentlich frühen, und heute allermeist unpassenden, Gefahrübergang abzuschwächen und den Käufer besser zu schützen, legt man Art. 185 so aus, dass er nur bei Stück- und Holschuld Anwendung findet.
Tipp: Als Käufer sollte man also am besten nie eine Holschuld vereinbaren, wenn es sich um eine Stückschuld handelt.
Erklärung von Art. 119 OR
Abs. 1: Wenn die Leistung des Schuldners unmöglich wird, muss er nicht mehr leisten, der andere aber trotzdem. (Anwendungsfall bei Art. 312 OR zinsloses Darlehen möglich.)
Abs. 2: Wenn es sich um einen synallagmatischen Vertrag handelt, müssen beide nicht mehr leisten. Und alles geleistete wird Rückabgewickelt. (Verkäufer muss untergegangenes Auto nicht liefern, und Käufer muss nicht bezahlen)
Abs.3: Wenn die Gefahr nach Art. 185 (eben bspw. bei Stück und Holschuld) noch vor der Unmöglichkeit auf den Gläubiger übergegangen ist, ist es sein Pech. Der Schuldner ist von seiner Leistung befreit und kann die Erfüllung der Gegenleistung verlangen. (Verkäufer muss das untergegangene Auto nicht mehr liefern, der Käufer muss aber trotzdem bezahlen)
Gefahrübergang bei aufschiebender Bedingung
Eine aufschiebende Bedingung (suspensiv) ist eine Bedingung, die zuerst eintreten muss, dass der Vertragsschluss zustande kommen kann.
Die Gefahr geht mit dem Eintritt der Bedingung auf den Gläubiger über.