Sexualdelikte aus Strafrecht BT I
In den letzten Jahren gab es viele Vorstösse, dass man das Sexualstrafrecht revidieren solle. Der Grundgedanke bei den Sexualdelikten ist, der Schutz der sexuellen Integrität und der Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Minderjährigen.
Übersicht
- Art. 187 Sexuelle Handlung mit Kindern
- Art. 188 Sexuelle Handlungen mit Abhängigen
- Art. 189 Sexuelle Nötigung
- Art. 190 Vergewaltigung
- Art. 191 Schändung
- Art. 193 Ausnützen der Notlage
- Art. 195 Förderung der Prostitution
- Art. 197 Pornographie
- Art. 198 sexuelle Belästigung
Art. 187 Sexuelle Handlung mit Kindern
Es ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt.
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tätereigenschaft (Mensch mind. 3 Jahre älter als Opfer)
- Tatobjekt (Kind unter 16 Jahren)
- Handlung (Vornahme, Verleitung oder Einbezug des Kindes in sexuelle Handlung (1))
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Einwilligung ist irrelevant (weil Kind nicht urteilsfähig und somit keine Verfügungsbefugnis)
- Schuld
- Sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen (beachte Art. 187 Ziff. 3 und Art. 200)
(1) Sexuelle Handlungen mit Kindern
Vornahme: körperliche Handlungen zwischen Täter und Kind
Verleitung: Kind wird veranlasst an einem Dritten/ sich selbst sexuelle Handlungen vorzunehmen.
Einbezug: Kind wird gezielt zum Zuschauer bei einer sexuellen Handlung gemacht.
Achtung: Ob das Kind darunter gelitten hat, oder ob es die Situation mochte, ob es zu einer Beeinträchtigung kam oder nicht oder ob das Kind gar nicht realisiert hat, was passiert spielt alles keine Rolle, denn es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Es ist somit strafbar ohne Erfolg oder konkrete Gefährdung.
Jugendliebe
Sex ist also erlaubt, wenn das Kind älter als 16 Jahre ist (Schutzalter) oder der Täter nicht mehr als 3 Jahre älter ist.
Opfer |
12 |
13 |
14 |
15 |
Täter |
15 |
16 |
17 |
18 |
Der Grund für die Jugendliebe-Ausnahmen ist, dass man praktizierte Sexualität in partnerschaftlichen Beziehungen unter jugendlichen nicht verbieten will, weil sie die ungestörte sexuellen Entwicklung von Minderjährigen nicht stört, sondern sogar unterstützt.
Art. 188 Sexuelle Handlungen mit Abhängigen
Den Tatbestand gibt es, um die sexuelle Selbstbestimmung junger Menschen zu schützen. Bei Abhängigkeitsverhältnissen ist, die Bildung und Kundgabe eines Abwehrwillens «nein sagen» erschwert. Es ist ein Tätigkeitsdelikt.
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tätereigenschaft (jeder)
- Tatobjekt (Minderjährige Person 16 oder 17 Jahre alt)
- Abhängigkeitsverhältnis (Erziehungs-, Betreuungs– oder Arbeitsverhältnis oder Abhängigkeit auf andere Weise «Generalklausel» (1))
- Handlung (Vornahme, Verleitung zu sexuellen Handlungen)
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
Das Einbeziehen des Jugendlichen bleibt straflos. Einbeziehen meint, Kind wird gezielt zum Zuschauer bei einer sexuellen Handlung gemacht.
Also erlaubt ist der Geschlechtsverkehr mit 16 oder 17-Jährigen, wenn man:
- nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu der jungen Person steht
- Das Abhängigkeitsverhältnis nicht ausnützt.
Ausnutzung nur wenn Opfer die Handlung eigentlich nicht möchte sich aber nicht zu wehren getraut aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses. Wenn das Opfer die Handlungen sowieso will, liegt keine strafbare Handlung vor.
(1) Abhängigkeitsverhältnis
Abhängigkeitsverhältnis: grösserer Umfang und nicht so strenge Anforderungen wie bei Art. 193, weil es sich um junge Menschen handelt, die zusätzlichen Schutz benötigen.
z.B. Schüler-Lehrer, Chef-Angestellter, Betreuer-Betreuter, Eltern-Kinder
Unter die Generalklausel fallen Abhängigkeitsverhältnisse wie: Sporttrainer-Schüler, Götti-Patenkind, Mentor-Schüler, Musiklehrer-Schüler, Psychotherapeut-Patient.
Art. 189 Sexuelle Nötigung
Die sexuelle Selbstbestimmung ist geschützt. Es handelt sich um ein Erfolgsdelikt.
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tätereigenschaft (Jeder, Mann oder Frau (Abgrenzung: vgl. Art. 190)
- Tatobjekt (jemanden)
- Handlung (Nötigung, namentlich durch Bedrohung, Gewaltanwendung, psychischem Druck oder durch herbeiführen von Widerstandsunfähigkeit, zur Duldung einer beischlafähnlichen oder anderen sexuellen Handlung.)
- Erfolg (Duldung einer beischlafähnlichen oder anderen sexuellen Handlung)
- Kausalität (Zwischen nötigender Handlung und Erfolg)
- Objektive Zurechnung
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
Art. 190 Vergewaltigung
Die sexuelle Selbstbestimmung ist geschützt. Die «Homosexuelle Vergewaltigung» fällt dabei unter Art. 189. Art. 190 ist ein Tätigkeitsdelikt.
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tätereigenschaft (Mann)
- Tatobjekt (Frau)
- Handlung (Frau wird zur Duldung des Beischlafs genötigt. Nötigung: namentlich durch Bedrohung, Gewaltanwendung, psychischem Druck oder durch herbeiführen von Widerstandsunfähigkeit (Abgrenzung zu Schändung Art. 191)
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
Beischlaf heisst die Vereinigung der beiden primären Geschlechtsteile (Penetration).
Qualifikationen von Art. 190 und 189
In den beiden Abs. 3 der beiden Art. werden die Qualifikationen genannt es sind beides identische Qualifikationen.
- Grausames Handeln: bewusst psychische oder physische Qualen die über das
- hinausgehen, was erforderlich ist, um das Opfer zur Duldung der sexuellen Handlung zu nötigen.
- Waffe oder ein gefährlicher Gegenstand: gilt stets als grausam.
Art. 191 Schändung
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tätereigenschaft (Jeder)
- Tatobjekt (Jede Person, die urteilsunfähig oder widerstandsunfähig ist)
- Handlung (Zum Beischlaf, beischlafähnliche oder zu einer anderen sexuellen Handlung missbrauchen (Ausnutzen der Urteils- oder Widerstandsunfähigkeit (1))
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Handeln in Kenntnis des Zustandes der Urteils-/ Widerstandsunfähigkeit
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
(1) Abgrenzung Schändung – Vergewaltigung
Bereits bestehende Widerstandsunfähigkeit ausnützen = Schändung (Art. 191)
Herbeiführen der Widerstandsunfähigkeit und dann ausnützen = Vergewaltigung (Art. 190)
Art. 193 Ausnützen der Notlage
Geschützt ist die Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung. Es ist ein Erfolgsdelikt.
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tätereigenschaft (Jeder)
- Tatobjekt (Jeder)
- Handlung (Veranlassung zu sexuellen Handlungen durch Ausnützen einer Notlage (1) oder eines Abhängigkeitsverhältnisses (2))
- Erfolg (Sexuelle Handlung oder Duldung gegen den Willen des Opfers)
- Kausalität (Sexuelle Handlung muss durch Ausnützen der Notlage passiert sein)
- Objektive Zurechnung
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen (Strafbefreiung gemäss Art. 193 Abs. 2)
(1) Notlage Definition
Eine Notlage liegt bei einem inneren seelischen Krisenzustand, der durch Gefühle von Aussichtslosigkeit und Angst geprägt ist, vor.
(2) Abhängigkeitsverhältnis
Das Abhängigkeitsverhältnis ist bei Art. 193 im Vergleich zu Art. 188 viel enger auszulegen, da es sich um erwachsene Personen handelt, von denen eher erwartet wird, dass sie nein sagen können. Nur in Fällen eines sehr starken Abhängigkeitsverhältnisses kann Art. 193 angewendet werden.
z.B. Sektenführer-Anhänger, Bänker-Verschuldeter, Drogenabhängige Person-Dealer.
Art. 195 Förderung der Prostitution
Zuhälterei ist nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten. Prostitution und das in Anspruch nehmen einer solchen Leistung ist nicht strafbar. Förderung der Prostitution ist ein Tätigkeitsdelikt.
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tätereigenschaft (Jeder)
- Tatobjekt (Jeder)
- Handlung (lit. a-d nennt Voraussetzungen unter denen Zuhälterei verboten ist (1))
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
(1) Voraussetzungen unter denen Zuhälterei verboten ist.
- lit. a: Zuführen einer minderjährigen Person zur Prostitution (Alt. 1)
- lit. a: Förderung der Prostitution einer minderjährigen Person in der Absicht, daraus vermögensvorteile zu erlangen (Alt. 2)
- lit. b: Zuführen einer Person zur Prostitution unter Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses (Alt. 1)
- lit. b: Zuführen einer Person zur Prostitution wegen eines Vermögensvorteils (ausbeuterische Zuhälterei, Alt. 2)
- lit. c: Einschränkung der Handlungsfreiheit einer Person, die der Prostitution nachgeht (dirigistische Zuhälterei)
- lit. d: Festhalten einer Person in der Prostitution, die sich aus der Prostitution lösen will
Art. 197 Pornographie
Auch Pornographie ist grds. nicht verboten nur spezielle, harte Pornografie ist verboten.
Pornographie Definition
Darstellung, die:
1. einseitig auf sexuelle Aufreizung angelegt ist
2. die Darstellung des Genitalbereichs wird übermässig betont (die aus ihren menschlichen und emotionalen Bezügen gelöste, aufdringlich in den Vordergrund gerückte und damit auf sich selbst reduzierte Darstellung sexueller Handlungen; der Mensch wird zum blossen Sexualobjekt degradiert.)
Harte Pornografie Definition
Pornografische Darstellungen die sexuellen Handlungen mit Tieren oder mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen oder sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Gegenstand haben.
Verboten sind folgende Handlungen gemäss Art. 197:
- Abs. 1 Schutz von Kindern unter 16 Jahren vor Konfrontation mit Pornografie (zeigen)
- Abs. 2 unerwünschte Konfrontation mit weicher Pornografie
- Abs. 3 Anwerben von Minderjährigen für pornografische Vorführungen
- Abs. 4 Umgang mit harter Pornografie
- Abs. 5 Konsum harter Pornografie
Art. 198 sexuelle Belästigung
Sexuelle Belästigung ist ein Erfolgsdelikt. Die sexuelle Integrität wird geschützt.
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tätereigenschaft (Jeder)
- Tatobjekt (Jeder)
- Handlung (unerwartetes vornehmen einer sexuellen Handlung, tätliche oder grobe Belästigung durch Worte, physische, optische und verbale Zumutungen sexueller Art)
- Erfolg (Erregung von Ärgernis)
- Kausalität (zwischen dem Vornehmen der Handlung und der Ärgernis Erregung)
- Obj. Zurechnung
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld