Vertragsschluss
Voraussetzungen eines Vertragsschlusses im OR
- Übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien (Antrag – Annahme, Art. 3-6 OR)
- Handlungs- und Geschäftswille (Bewusstsein zu handeln, Wille eine rechtliche Bindung einzugehen)
- Kein rechtzeitiger Widerruf einer der Vertragsschlusserklärungen nach Art. 9 OR
- Konsens der Parteien (Vertrauensprinzip Mindestinhalt des Konsenses= negotii essentialia)
1. Übereinstimmende Willenserklärungen
Antrag (Erste Willenserklärung)
Ein Antrag ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Antragsteller einer anderen Person den Abschluss eines Vertrages so anträgt, dass der Vertragsschluss nur noch von deren Einverständnis abhängt.
Dafür muss der Mindestinhalt des Konsenses (essentialia negotii) klargestellt sein (z.B. Kaufvertrag, Parteirollen (Käufer oder Verkäufer) Leistung und Gegenleistung).
Antrag setzt neben Handlungswillen auch Geschäftswille des Antragstellers voraus.
Kein Geschäftswille und somit kein Antrag bei z.B.:
- Letter of intent (nur Bereitschaft mit Verhandlungen anzufangen)
- Invitatio at offerendum (blosse Aufforderung Angebote zu machen)
Annahme (Zweite Willenserklärung)
Der Antragende ist nicht ewig an den Antrag gebunden. Der Antrag muss rechtzeitig, also während der Annahmefrist angenommen werden.
Dauer der Annahmefrist (Art. 3-5 OR)
- Mit Annahmefrist: bis diese Frist abgelaufen ist. (Art. 3 OR)
- Ohne Annahmefrist unter Anwesenden – sofortige Annahme (Art. 4 OR)
- Ohne Annahmefrist unter Abwesenden – nach Umständen angemessene Frist (Art. 5 OR)
Nach Umständen angemessene Frist:
- Transportzeit hin
- Überlegungszeit des Antragsadressaten
- Transportzeit zurück
2. Handlungs-, Geschäfts- und Erklärungswille
Jede Willenserklärung, also Antrag und Annahme, setzt Handlungswille und Geschäftswille voraus.
- Handlungswille: Man wollte den Vertrag und war bei vollem Bewusstsein ⇒ fehlender Handlungswille ⇒ WE (-)
- Geschäftswille: Man wollte eine rechtliche Bindung eingehen mit dem Vertrag ⇒ fehlender Geschäftswille ⇒ WE (-)
- Erklärungswille: Man wollte seine Absichten der anderen Partei mitteilen ⇒ fehlender Erklärungswille ⇒ WE (+)
Abgrenzung Vertrag ⇔ Blosse Gefälligkeit (z.B. auf den Laptop im Zug aufpassen für fremde Person)
Bei blosser Gefälligkeit liegt keine Geschäftswille vor.
Weil kein Geschäftswille besteht, keine WE und keinen Vertrag.
3. Widerruf (Art. 9)
Antrag und Annahme können widerrufen werden, falls dies rechtzeitig geschieht (gleichzeitig oder sogar vor Zugang der WE). Wenn ein Widerruf rechtzeitig ankommt, ist kein Vertrag zustande gekommen.
Nach dem Vertragsschluss kann der Vertrag grundsätzlich nicht aufgelöst werden. Man bleibt an den Vertrag gebunden, ausser beide Parteien möchten die Auflösung des Vertrages und werden sich einig.
Ausnahme: Bei Haustür- und Telefongeschäften gemäss Art. 40a, weil dort eine grosse Überrumpelungsgefahr besteht.
Ab Vertragsschluss und Widerrufsbelehrung: 14 Tage Widerrufsfrist generell geltend.
Bei Widerruf erfolgt eine Rückerstattung der empfangenen Leistungen (ex tunc)
Zeitpunkt des Eintritts der Vertragswirkung (Ab wann gilt der Vertrag?)
- Bei Anwesenden – bei Zugang der Annahme
- Bei Abwesenden – beim Abschicken der Annahme
4. Konsens mit Vertrauensprinzip
Definition Vertrauensprinzip: Willenserklärungen werden so ausgelegt, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten. Also wie sie ein redlicher Dritter verstanden hätte.
Normativer Konsens – Das gesagte
Natürlicher Konsens – Das wirklich gemeinte
Meistens kommt es auf den normativen Konsens an, da das Vertrauensprinzip die Willensäusserung berücksichtigt und nicht den Willen der Parteien. Es kommt darauf an was man sagt nicht was man meint.
Ausnahme: Wenn beide Parteien das falsche sagen aber beide das gleiche richtige meinten, zählt der innere Wille (was sie meinten) Bsp.: «Haakjöringsköd-Fall»
Mindestinhalt des Konsenses (essentialia negotii)
Essential negotii: alle wesentlichen Punkte des Vertrages, die geregelt sein müssen:
(zB. Kaufvertrag, Parteirollen (Käufer oder Verkäufer) Leistung und Gegenleistung)
Nebenpunkte müssen gemäss Art. 2 Abs. 1 OR nicht alle erfüllt sein:
(zB. Lieferbedingungen, Zahlungsbedingungen)
Vertragsfreiheit, Art. 19 OR
Jeder kann frei entscheiden, OB, MIT WEM, ÜBER WELCHEN INHALT und WIE DER VERTRAG GESTALTET IST.
- Abschlussfreiheit (OB)
- Partnerwahlfreiheit (MIT WEM) – Ausser, wenn es diskriminierend wird dann Kontrahierungszwang
- Inhaltsfreiheit (ÜBER WELCHEN INHALT)
Andere Vertragsschlussarten
Unterzeichnen eines Dokuments beider Parteien. Dort lässt sich Antrag-Annahme-Modell nicht ganz klar anwenden. Der Vertrag ist trotzdem gültig.
Auslobung und Preisausschreiben führen auch wenn man die die Auslobung nicht gesehen hat zu einem gültigen Vertrag (Art. 8 OR).