Willensmängel – Irrtum, Täuschung und Drohung

 

Entspricht das Gesagte nicht dem wirklichen Willen liegen Willensmängel vor. Grundsätzlich werden Willenserklärungen mit dem Vertrauensprinzip ausgelegt. D.h. man versteht eine WE so, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durfte und musste, also so wie sie ein unabhängiger, unbeteiligter Dritter verstanden hätte (objektives Verständnis).

Bei gewissen Willensmängeln hält das Gesetz nicht an dem Vertrauensprinzip fest:

  • Willensmängel durch «wesentlichen Irrtum» (Art. 23-27)
  • Willensmängel durch Täuschung (Art. 28)
  • Willensmängel durch Furchterregung (Art. 29-30)

Wesentlicher Irrtum wird unterteilt in:

  • Erklärungsirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1-3) – wesentlich
    • Übermittlungsirrtum (Art. 27) – wesentlich
  • Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4) – wesentlich
    • Abgrenzung: Motivirrtum (Art. 24. Abs. 2) – unwesentlich
    • Abgrenzung: Kalkulationsirrtum (Art. 24. Abs. 3) – unwesentlich

 

«Wesentlicher Irrtum» Bedeutung

Gründe für einen wesentlichen Irrtum in Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1-4

  • Ziff. 1: Andere Art des Vertrages (error in negotio) Bsp. Kauf/Verkauf
  • Ziff. 2: Andere Sache (error in corpore) Bsp. Porsche/Lamborghini
  • Ziff. 2: Andere Person (error in persona) Bsp. Herr Müller/Herr Meier bekommt den Job
  • Ziff. 3: Leistung oder Gegenleistung erheblich grösser (error in quantitate) Bsp. 5000.-/2000.-
  • Ziff. 4: Notwendige Grundlage des Vertrages ist anders. Bsp. Gemälde gefälscht/echt.

 

Rechtsfolgen des Irrtums

wesentlicher Irrtum: unwesentlicher Irrtum:
Vertrag anfechtbar innerhalb eines Jahres nach Entdeckung des Irrtums.
Vertrag nicht einfach nichtig.
Der Irrende bleibt an den Vertrag gebunden.

 

Art. 26 Abs. 1 Fahrlässiger Irrtum

Hat der Irrende fahrlässig gehandelt, kann eine Schadensersatzpflicht begründet werden nach Art. 26 Abs. 1, 2. Allerdings nur Ersatz für das «negative Interesse». (Zusätzlicher Schaden, der entstanden ist durch das dahinfallen des Vertrages also Dinge, die man nur getan hat, weil man an den Vertrag geglaubt hatte.)

  1. Wesentlicher Irrtum
  2. Vertragsanfechtung des Irrenden (Anfechtung muss erfolgreich gewesen sein)
    1. Anfechtung gemäss Frist nach Art. 31
  3. Fahrlässigkeit des Irrenden
  4. Vertragspartner kannte den Irrtum nicht (kannte, oder hätte der Vertragspartner erkennen müssen, dass sich sein gegenüber in einem Irrtum befunden hat, hätte er ihn aufklären müssen und kann somit kein SE verlangen)

 

Willensmängel durch Täuschung (Art. 28)

Vertragsschluss durch absichtliche Täuschung führt zur Anfechtbarkeit des Vertrages (Art. 28 Abs. 1).

Zwei Arten der Täuschung

  • Aktive Täuschung = Vorspiegelung falscher Tatsachen
  • Passive Täuschung = Verschweigen vorhandener Tatsachen, falls Aufklärungspflicht besteht

Aufklärungspflicht besteht bei:

  • Aufklärungspflicht durch Gesetz
  • Aufklärungspflicht aus Vertrag vor allem bei Dauerschuldverhältnissen.
  • Aufklärungspflicht bei Macht-/Informationsgefällen (Banken/Gebrauchtwagen Verkäufer)

Vertragsschluss durch absichtliche Täuschung eines Dritten (Art. 28 Abs. 2)

Vertragspartei wusste Bescheid/Dritter gehört zur Vertragspartei. Der Vertrag ist anfechtbar.
Vertragspartei wusste nicht Bescheid. Der Vertrag ist nicht anfechtbar.

 

Willensmängel durch Furchterregung (Drohung) Art. 29

Vertragsschluss durch Drohung. Der Vertrag ist anfechtbar (Art. 29 Abs. 1).
Vertragsschluss durch Drohung eines Dritten Der Vertrag ist anfechtbar (Art. 29 Abs. 2).

Voraussetzung für eine Furchterregung:

  • gegründete Furcht (Art. 30)
  • Widerrechtlichkeit der Furchterregung (Art. 29 Abs. 1)

 

Anfechtung bei wesentlichem Irrtum, Täuschung und Drohung

Anfechten kann nur derjenige, der dem wesentlichen Irrtum unterlag, absichtlich getäuscht oder bedroht wurde.

Frist bei Anfechtung:

  • wesentlicher Irrtum – 1 Jahr ab Bemerkung (Art. 31 Abs. 2)
  • Täuschung – 1 Jahr ab Bemerkung der Täuschung (Art. 31 Abs. 2)
  • Drohung – 1 Jahr ab Ende der Furcht (Art. 31 Abs. 2)

Wird nicht innerhalb eines Jahres angefochten, bleibt der Vertrag gültig.
Die Anfechtungsfrist ist eine Verwirkungsfrist und nicht eine Verjährungsfrist.
Im Gegensatz zu der Verjährung gemäss Art. 60 Abs. 1 und 67 Abs. 1 gibt es keine absolute Höchstfrist von 10 Jahren.

Auch unpräzise, nicht juristische oder konkludente Anfechtungserklärungen sind gültig.

 

Ausnahmen Anfechtung – Schutz vor Rechtsmissbrauch

Art. 25 Abs. 1 – Man kann nicht einfach behaupten, man hätte sich geirrt und dann den Vertrag anfechten.
Art. 25 Abs. 2 – Kommt dem Irrenden der Vertragspartner entgegen und man einigt sich auf den Irrtum, so ist der Irrende an den Vertrag gebunden.

Wird ein Vertrag fristgerecht angefochten, so ist er unverbindlich (ex tunc Rückabwicklung).
Bei Dauerschuldverhältnissen nur ex nunc Unverbindlichkeit und keine Rückabwicklung.

 

Unverbindlichkeit 3 Theorien

  • Ungültigkeitstheorie – anfechtbarer Vertrag ist von Anfang an ungültig und wird erst gültig nach abgeloffener Anfechtungsfrist.
  • Anfechtungstheorie – anfechtbarer Vertrag ist von Anfang an gültig, ausser er wird erfolgreich angefochten.
  • Theorie der geteilten Ungültigkeit – (Mischform) Für die Partei, die sich im Willensmangel befunden hat von Anfang an ungültig (Ungültigkeitstheorie) und für die andere Partei von Anfang an gültig (Anfechtungstheorie).

Welche Theorie man anwendet, kann entscheidend sein bei der Rückabwicklung nach Art. 62 Abs. 1

Willensmängel OR AT #7
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