Veräusserungsverträge im System der Schuldverträge

Veräusserungsverträge sind ein Bereich der Schuldverträge. Veräusserungsverträge werden weiter unterteilt in Kaufvertrag (Art. 184ff. OR), Tauschvertrag (Art. 237f. OR) und Schenkungsvertrag (Art. 239ff. OR).

Veräusserungsverträge, Schuldverträge, Veräusserungsverträge, Kauf, Tausch, Schenkung, Überlassungsverträge, Tätigkeitsverträge, Gesellschaftsverträge, Risikoverträge,
Übersicht über die Schuldverträge

 

Definitionen

Definition Veräusserungsvertrag

Bei einem Veräusserungsvertrag gibt es eine dauerhafte Vermögensverschiebung durch Übertragung von Vermögensgegenständen.

Kaufvertrag Definition

Ein Kaufvertrag ist ein synallagmatischer Verpflichtungsvertrag bei dem Vermögensgegenstände einmalig oder mehrfach gegen Geld getauscht werden.

Ein Kaufvertrag ist ein Spezialfall des Tausches.

 

Hierarchie kaufrechtlicher Regelungen

  1. Bestimmungen über besondere Arten des Kaufs (OR 222; OR 223; KKG; OR 229–236)
  2. Bestimmungen über den Grundstückkauf (OR 216–221)
  3. Bestimmungen über den Fahrniskauf (OR 187–215) Sonderregelungen für den Gattungskauf (OR 206 I)
    Sonderregelungen für den Viehkauf (OR 198, 202, ZGB 715 II)
    Sonderregelungen für den Kauf von Kulturgütern (OR 196a, 210 III)
    Sonderregelungen für den kaufmännischen Verkehr (OR 190 f., 215)
  4. Allgemeine Bestimmungen über den Kauf (OR 184–186)
    Sonderregelungen für den Gattungskauf (OR 185 II)
  5. Bestimmungen für gegenseitige Verträge (OR 82 f., 107–109, 119 II, III)
  6. Bestimmungen über Schuldverhältnisse aus Verträgen (OR 1–40f, 151–163) Sonderregelung für den kaufmännischen Verkehr (KBS; vgl. OR 6)
    Veräusserungsverträge
  7. Allgemeine Bestimmungen über Schuldverhältnisse (OR 68–81, 84–106, 110–150, 164–183)

Von oben nach unten werden sie immer unspezifischer und subsidiärer. Die oberen Regeln gehen vor.

 

Das Kausalitätsprinzip

Das Trennungsprinzip trennt, anders als das Konsensualprinzip in Frankreich, Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte voneinander

Das Kausalitätsprinzip besagt, dass Verfügungsgeschäfte nur gültig sind, wenn das Verpflichtungsgeschäft wirksam ist.
Es gilt beim Grundstückkauf ausdrücklich gem. 974 II ZGB und bei Fahrnis wird es analog vom BGer so ausgelegt in BGE 55 II 302.

 

Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft

Der Abschluss des Kaufvertrages ist das Verpflichtungsgeschäft. Es verpflichtet die beiden Parteien das Verfügungsgeschäft auszuführen. Das Verfügungsgeschäfte ist das Geschäft, mit dem über Rechte (dingliches Recht: Eigentum) verfügt wird, also die Besitzübergabe «traditio».

Bei einem Kauf über ein Brot gibt es deshalb 3 Geschäfte: Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) Übergabe des Bargeldes (Verfügungsgeschäft) und Übergabe des Brotes (Verfügungsgeschäft)

  • Fahrniseigentum: 714 i.V.m. 922ff. ZGB
  • Grundeigentum: 656 ff., 963 ZGB
  • Forderungen und Rechte: 164 ff. OR

 

Vergleich Kausalitätsprinzip und Abstraktionsprinzip

Veräusserungsverträge, Kausalitätsprinzip, Abstraktionsprinzip
Gegenüberstellung des Kausalitätsprinzips und des Abstraktionsprinzips

Bedeutung von Kausalitätsprinzip und Abstraktionsprinzip

Sachverhalt: B und A schliessen ungültigen Kaufvertrag, B verkauft die Sache/Forderung an C weiter:

Veräusserungsverträge, Erwerb von Sachen, Erwerb von Forderungen
Kausalitätsprinzip und Abstraktionsprinzip anhand von Beispielen

 

Arten des Kaufvertrages

 

Klassifizierung nach Art des Kaufgegenstandes

Veräusserungsverträge, verschiedenste Kaufgegenstände
Verschiedenste Kaufgegenstände

Begriffserklärungen

Fahrnis

Bewegliche Körperliche Sache
beweglich heisst, die Sache darf nicht fest mit dem Erdboden verbunden sein, so dass sie zerstört werden muss, um sie zu lösen.
Körperlich sind Sachen die fassbar sind.

Unkörperliche Gegenstände rechtlicher Herrschaft
Unfassbare Gegenstände, die Gegenstand rechtlicher Herrschaft sein können: Z.B. elektrische Energie

Sachgesamtheiten
Dinge die nur in einer Gesamtheit Sinn machen: z.B. Herde, Büchersammlung, Bibliothek.

Künftig gesonderte, verkehrsfähige Sachen (Art. 187 Abs. 2 OR)
Existenz bei Vertragsschluss aber noch nicht verkehrsfähig: z.B. Getreide auf dem Feld

Künftige Sachen
Emptio rei separatae – Kauf einer erhofften Sache: z.B. Fisch, der noch gefischt werden muss. Äpfel, die noch wachsen müssen.
Verkauf einer noch vom Verkäufer aus eigenen Materialien herzustellenden Sache.

Übertragbare Rechte

Forderungsrechte
aktuelle- und künftige, nicht aber höchstpersönliche Forderungen

Gesellschaftsanteile
Kauf von Namenaktien

Immaterialgüterrechte
Nicht-materielle Rechte: z.B. Patente, Markenrechte, copyrights

Beschränkte dingliche Rechte
soweit diese übertragbar sind: z.B. irreguläre Personaldienstbarkeiten (ZGB 779, 780, 781)

Sonstige Kaufgegenstände

Vermögensgesamtheit
Gesamtheiten von Sachen, Rechten und sonstigen Vermögensgegenständen sowie auch Schulden: z.B. Unternehmen Geschäftsübertragung, Erbschaften

Immaterielle Vermögenswerte ohne Rechtscharakter
z.B. Kundendatei, Know-how, Platz in einer Warteschlange

 

Klassifizierung nach individueller Bestimmung (Gattungs- und Stückkauf)

Beim Stückkauf ist ein spezielles Stück (Unikat) geschuldet. Z.B. altes Velo, Oldtimer.

Beim Gattungskauf ist ein Stück aus einer Gattung geschuldet. Es muss mind. Durchschnittliche Qualität haben. Z.B. ein Opel Corsa, aber nicht ein Spezielles Modell oder Vans sneaker low black 1 Paar.

Es gibt begrenzte– und unbegrenzte Gattungen

Begrenzt: z.B. Die Weizensorte eines Bauern in seinem Schuppen.
Wenn dieser Schuppen abbrennt, gilt die Gattung als untergegangen, somit tritt Unmöglichkeit ein.

Unbegrenzt: z.B. Weizen
Solange die Sache noch irgendwo auf der Welte existiert gilt keine Unmöglichkeit, der Bauer muss sie kaufen, um sie dem Kunden vertragsgemäss zu verkaufen. Gattungen gehen fast nie unter.

 

Klassifizierung nach Existenz des Kaufgegenstandes bei Vertragsschluss

Veräusserungsverträge, Existenz des Kaufgegenstanden Entstehung nach Vertragsschluss
Unterteilung: Existenz des Kaufgegenstandes

 

Klassifizierung nach Bestimmtheit der Leistungspflicht bei Vertragsschluss

Anfänglich feststehend: Die Parteien haben alle Leistungen genau bestimmt.

Spezifikationskauf: Gattungsmerkmale und Qualität wurden bestimmt, ein gewisser Spielraum bleibt aber offen.

Wahlkauf Art. 72 OR: Mehrere genau bestimmte Optionen werden zur Wahl gestellt. Im Zweifelsfall liegt das Wahlrecht beim Verkäufer.

Kauf mit Ersetzungsbefugnis: Leistungen grds. bestimmt aber eine kleine Alternative. Z.B. Käufer darf nicht nur CHF sondern auch mit Euro bezahlen

 

Klassifizierung nach einmaliger / wiederholten Begründung Verbindlichkeiten

Einmalschuldverhältnis vs. Dauerschuldverhältnis.

 

Klassifizierung nach Fälligkeit der Kaufpreisbezahlung

Wann muss der Kaufpreis gezahlt werden?

Barkauf: Sofort bei Übergabe und Übereignung der Ware.
Postnumerandokauf: Nach erhalten der Ware.
Praenumerandokauf: Vor erhalten der Ware.

 

Klassifizierung nach Fälligkeit der Lieferpflicht des Verkäufers

Wann muss die Ware geliefert werden?

Handkauf: Ware muss sofort bei Kaufpreiszahlung geliefert werden.
Kauf mit Hinausgeschobener Lieferung: Nach der Kaufpreiszahlung.

 

Klassifizierung nach Erfüllungsort (=Leistungsort)

Die Bestimmung des Leistungsortes läuft in dieser Reihenfolge ab (vgl. OR 74)

  • Leistungsort kann von den Parteien bestimmt werden (Vertragliche Abmachung)
  • Ggf. ergibt sich der Leistungsort auch nur aus den Umständen (OR 74 I; z.B. Kauf von Heizöl: Leistungs- und Erfolgsort ist der Tank im Haus des Käufers).
  • Ggf. gesetzliche Sonderregelungen (z. B. OR 477; nicht im Kaufrecht)
  • Hilfsweise Geltung von OR 74 II

Holschuld

Dort, wo die Sache zum Zeitpunkt des Vertrags ist, muss sie abgeholt werden. Z.B. Geldschulden. Gefahrübergang auf Käufer bei Aussonderung der Ware (z.B. Melonen in separate Kiste zum Abholen)

Bringschuld

Die Sache muss zum Käufer gebracht werden, erst wenn sie dort angekommen ist, ist die Schuld getilgt. Gefahrübergang bei Übergabe der Sache. Wenn man die Sache durch einen Boten bringen lässt, haftet man für Schäden auf der Reise.

Schickschuld

Verkäufer hat alles für die Erfüllung Erforderliche getan, wenn er die Sache zur Absendung übergibt, Gefahrenübergang bei Übergabe an Transportperson Dann haftet man nicht mehr.

Veräusserungsverträge im System der Schuldverträge OR BT #1

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