Verzug im Kaufmännischen Verkehr
Verzug im Kaufmännischen Verkehr funktioniert anders. Der Kaufmännische Verkehr ist ein anderes Umfeld (Paralleluniversum), in dem die ganzen vertraglichen Regeln zwar ähnlich, aber trotzdem ein wenig unterschiedlich gelten.
Wann Kaufmännischer Verkehr angenommen wird ist nicht ganz einfach zu beantworten, es gibt dazu 5 Meinungen:
- Wenn der Käufer beabsichtigt die Ware weiterzuverkaufen
- Wenn der Käufer beabsichtigt die Ware gewinnbringend weiterzuverkaufen
- Wenn der Kauf zwischen Kaufleuten geschieht
- h.L. Wenn der Kauf zwischen Kaufleuten geschieht und diese im Rahmen ihrer kaufmännischen Gewerbe handeln
- Wenn der Kauf eines Unternehmers für die Zwecke des Unternehmens geschieht (egal ob zum Verbrauch oder Weiterverkauf)
Wir betrachten nun den Schuldnerverzug im Kaufmännischen Verkehr. Dort unterscheidet man zwischen Verzug des Käufers und Verzug des Verkäufers. Im nichtkaufmännischen Verkehr unterscheidet man nicht zwischen Käufer und Verkäufer, Es gilt immer Art. 107 Abs. 2 OR.
Zahlungsverzug des Käufers (Art. 213, 214, 215 OR)
Erfüllung/ Leistung = Kaufpreiszahlung
Ist der Käufer mit seiner Leistung im Verzug, hat der Verkäufer auch die drei Wahlrechte von 107 II OR. Bei jedem Wahlrecht kommt aber eine sondernorm hinzu.
1. Wahlrecht: Erfüllung + Verspätungsschaden (neg. Int.) + besonders 213 II OR (auch ohne Mahnung Verzugszinsen ab vereinbartem Liefertermin)
2. Wahlrecht: Keine Erfüllung + Nichterfüllungsschaden (pos. Int.) + besonders 215 OR (Verkäufer kann Ware behalten und so viel SE verlangen, wie er Gewinn mit dem Verkauf gemacht hätte)
3. Wahlrecht: Keine Erfüllung + Vertrauensschaden (neg. Int.) + besonders 214 OR (Bei praenumerandokauf oder Barkauf «ohne weiteres» (=ohne Mahnung und Nachfristsetzung) Wahlrechtsausübung möglich. Verkäufer muss aber sofort anzeigen, wenn er keine Erfüllung mehr will.)
Besondere Berechnung des Nichterfüllungsschadens (2. WR) gem. 215 I, II OR)
215 I: Der Verkäufer kann SE für die Differenz aus abgemachtem Preis und dem tieferen Preis, den er an einem anderen Ort bekommen hat, verlangen.
215 II: Der Verkäufer kann SE für die Differenz aus abgemachtem Preis und tieferem Preis des Marktes/ Börse verlangen.
Lieferverzug des Verkäufers (Art. 190 OR)
Erfüllung/Leistung = Lieferung der Ware
Ist der Verkäufer mit seiner Leistung im Verzug, so vermutet Art. 190 OR drei Folgen:
- Nachfristsetzung wird entbehrlich gem.108 Ziff. 3 OR, bei Setzung der Nachfrist, ist somit Vermutung von 190 OR widerlegt.
- Vermutung, dass Käufer 2. WR wählt
- Falls Käufer doch Lieferung will muss er das sofort anzeigen gem. 190 II OR
Besondere Berechnung des Nichterfüllungsschadens (2. WR) gem. 190 I, II OR)
190 II: Konkrete Differenzschadenberechnung
Der Käufer kann die Differenz zwischen dem abgemachten Kaufpreis und dem Preis für ein Ersatzprodukt, oder der entgangene Gewinn aus dem konkret gescheiterten Weiterverkauf geltend machen.
190 III: Abstrakte Differenzschadenberechnung
Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann der Käufer, ohne einen Ersatz zu verschaffen die Differenz aus abgemachtem Kaufpreis und Markt-/ Börsenpreis zum Zeitpunkt der vorgesehenen Vertragserfüllung als Schadenersatz fordern.
Definition Fixgeschäft, Verfalltagsgeschäft
Absolutes Fixgeschäft
Leistung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, danach wird die Leistung unmöglich. Man muss dies dem Schuldner vorher mitteilen. Es muss nicht gemahnt und keine Nachfrist gesetzt werden. z.B. Hochzeitsbuffet, Flug für Business Meeting.
Rechtsfolge: SE, entweder Art. 97 (verschuldet) oder Art. 119 (unverschuldet)
Relatives Fixgeschäft (Art. 108 Ziff. 3)
Es liegt ein erhöhtes Interesse an der Einhaltung der Leistungszeit vor. Mit Fristablauf ist der Gläubiger nicht mehr zur Annahme der Leistung verpflichtet, es entfällt die Erfüllbarkeit der Obligation. Es muss nicht gemahnt und keine Nachfrist gesetzt werden.
Verfalltagsgeschäft (Art. 102 Abs. 2 OR)
Der Erfüllungstermin ist klar definiert und bei Spätleistung gerät der Schuldner direkt ohne Mahnung in Verzug. Die Obligation bleibt aber weiterhin erfüllbar. z.B. Mietzins ist am 1. des Monats zu zahlen.
In Zweifelsfällen ist immer eher ein Verfalltagsgeschäft anzunehmen und eine Nachfrist zu setzen.