Gefährdungsdelikte aus Strafrecht BT

 

Die Gefährdungsdelikte (Art. 127-136 StGB) haben keinen Taterfolg, allerdings einen Gefährdungserfolg. Bestraft wird das Schaffen einer unnötigen Gefahr.
Entweder muss eine konkrete Gefahr eintreten oder eine grundsätzlich sehr gefährliche Situation geschaffen werden.

 

Übersicht

  • Konkrete Gefährdungsdelikte
  • Abstrakte Gefährdungsdelikte
  • Weitere Unterteilung der abstrakten Gefährdungsdelikte
  • Art. 127 Aussetzung
  • Art. 128 Unterlassung der Nothilfe
  • Art. 129 Gefährdung des Lebens (Grunddelikt)
  • Art. 133 Raufhandel
  • Art. 134 Angriff
  • Art. 135 Gewaltdarstellung
  • Art. 136 Verabreichung gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder

 

Konkrete Gefährdungsdelikte

Eine Gefahr ist konkret eingetreten, es ist aber nichts passiert. Das ist der Gefährdungserfolg.

Bei Konkreten Gefährdungsdelikten ist ein Gefährdungserfolg und ein Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Gefährdungserfolg nötig.

Definition Gefahr: Eine Gefahr liegt vor, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Verletzung eines geschützten Rechtsgutes besteht.
Die Gefahr kann auch kleiner als 50% sein.

 

Abstrakte Gefährdungsdelikte

Es wird eine besonders gefährliche Handlung bestraft, auch wenn diese im konkreten Fall keine Gefahr geschaffen hat. (z.B. Überfahren einer Sicherheitslinie im Strassenverkehr, auch nachts, wenn man allein auf der Strasse ist.)

 

Weitere Unterteilung der abstrakten Gefährdungsdelikte

Eignungsdelikt

Delikte die geeignet sind zu einer konkreten Gefährdung zu führen.
z.B. Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder (Art. 136 StGB)

Kumulationsdelikt

Verhaltensweisen, die nur bei gehäuftem Auftreten zu einer Gefährdung führen.
z.B. Falscher Alarm (Art. 128bis StGB)

Vorbereitungsdelikt

Handlungen, die zwar nicht direkt zu einer Gefahr führen, aber eine andere Person zu gefährlichen Handlungen animieren können.
z.B. Gewaltdarstellungen (Art. 135 StGB)

 

Art. 127 Aussetzung

Die Aussetzung ist sowohl eine Begehungs- wie auch ein echtes Unterlassungsdelikt. Bei einem echten Unterlassungsdelikt steht im Straftatbestand selbst, dass das Unterlassen strafbar ist und es muss nicht über Art. 11 zugerechnet werden.
Es ist ein Sonderdelikt d.h. nicht jeder kommt als Täter in Frage. Es ist ein konkretes Gefährdungsdelikt.

  1. Tatbestand
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Tätereigenschaft (Person, die rechtlich verpflichtet den Hilflosen vor Gefahren zu schützen Garantenstellung (Sonderdelikt))
      2. Tatobjekt (Hilflose Person – hilflos ist eine Person, welche nicht in der Lage ist, Gefahren aus eigener Kraft zu begegnen oder diese zu beseitigen)
      3. Tathandlung («Aussetzen» = Handeln; «im Stich lassen» = Unterlassen)
      4. Kausalzusammenhang (zwischen Tathandlung und Gefährdungserfolg)
      5. Gefährdungserfolg (in unmittelbare Lebensgefahr bringen konkretes Gefährdungsdelikt)
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Gefährdungsvorsatz (kein Verletzungsvorsatz, Eventualvorsatz genügt)
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld

 

Art. 128 Unterlassung der Nothilfe

Art. 128 ist ein echtes Unterlassungsdelikt. Es gibt kein aktives Begehen davon. Es muss keine konkrete Gefahr eintreten, deshalb ist es ein abstraktes Gefährdungsdelikt.
Art. 128 Abs. 2 bestraft das Abhalten/Behindern anderer die Nothilfe leisten wollen. Art. 127 geht Art. 128 aufgrund der lex specialis-Regel vor.

  1. Tatbestand
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Tätereigenschaft (jedermann)
      2. Tatobjekt (Mensch, vom Täter verletzt/ die in unmittelbarer Lebensgefahr schweben)
      3. Tathandlung (Nicht helfen (echtes Unterlassungsdelikt))
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld
    1. Zumutbarkeit der Hilfeleistung

 

Art. 129 Gefährdung des Lebens (Grunddelikt)

Gefährdung des Lebens ist das Grunddelikt der Gefährdungsdelikte. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt, da eine Gefahr eintreten muss. In der Praxis ist Art. 129 oft ein Auffangtatbestand für Fälle, wo sich kein Tötungsvorsatz nachweisen lässt und die Tötung nicht vollendet ist.

  1. Tatbestand
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Tätereigenschaft (jedermann)
      2. Tatobjekt (ein Mensch)
      3. Handlung (Jede Handlung, die geeignet ist eine Gefährdungserfolg herbeizuführen)
      4. Kausalzusammenhang (zwischen Tathandlung und Gefährdungserfolg)
      5. Gefährdungserfolg (in unmittelbare Lebensgefahr bringen (konkretes Gefährdungsdelikt))
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Direkter Gefährdungsvorsatz («sicheres Wissen», Eventualvorsatz genügt nicht)
      2. Skrupellosigkeit (BGer: «besondere Hemmungs- und Rücksichtslosigkeit)
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld

 

Art. 133 Raufhandel

Der Raufhandel ist ein bisschen ein spezielles Delikt. Es muss zwar eine Körperverletzung/ Tötung eines Menschen passieren, jedoch ist das kein Taterfolg. Der bestrafte muss nicht derjenige sein, der das Opfer verletzt hat. Es ist einfach eine obj. Bedingung, dass es ein Opfer gibt, sonst ist es kein Raufhandel, wenn niemand verletzt wird. Deshalb ist es kein Erfolgsdelikt, sondern ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Oft wird der Raufhandel angewandt, bei Massenausschreitungen bei denen nachher nicht mehr beweisbar ist, wer wen verletzt hat.

  1. Tatbestand
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Tätereigenschaft (jedermann)
      2. Tatobjekt (ein Mensch)
      3. Tathandlung (Am Raufhandel teilnehmen – Raufhandel ab 3 Personen. Teilnahme kann auch psychische Gehilfenschaft sein (anfeuern)
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz (nur bzgl. der Teilnahme nicht unbedingt bzgl. Der KV/Tötung)
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld
  4. Objektive Strafbarkeitsvoraussetzungen
    1. Körperverletzung oder Tötung einer Person (muss nicht vom subj. TB erfasst sein. Der Verletzte kann ein Angegriffener oder ein Dritter sein.)

 

Art. 134 Angriff

Beim Angriff gelten dieselben Voraussetzungen wie beim Raufhandel, auch die aussergewöhnlichen obj. Strafbarkeitsvoraussetzungen sind gleich. Es ist auch ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Der Unterschied liegt darin, dass der Angriff eine einseitig ausgeführte Aktion ist, wohingegen der Raufhandel darauf beruht, dass zwei Parteien gemeinsam zu prügeln beginnen.

  1. Tatbestand
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Tätereigenschaft (jedermann)
      2. Tatobjekt (ein Mensch)
      3. Tathandlung (Am Angriff teilnehmen – Angriff ab 3 Personen. Teilnahme kann auch psychische Gehilfenschaft sein (anfeuern)
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz (nur bzgl. der Teilnahme nicht unbedingt bzgl. Der KV/Tötung)
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld
  4. Objektive Bedingung der Strafbarkeit
    1. Körperverletzung oder Tötung einer Person (muss nicht vom subj. TB erfasst sein. Der Verletzte kann ein angegriffener oder ein Dritter sein.)

 

Art. 135 Gewaltdarstellung

Gewaltdarstellung ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, weil es keinen Erfolg gibt, selbst ein Gefährdungserfolg ist nicht notwendig. Verboten ist die Gewaltdarstellung, weil man verhindern will, dass Gewalt normalisiert, akzeptiert oder sogar nachgeahmt wird.

  1. Tatbestand
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Tätereigenschaft (jedermann)
      2. Tatobjekt (Ton-, Bildaufnahmen, andere Gegenstände oder Vorführungen, die grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere eindringlich darstellen und dabei die elementare Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen und die keinen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert haben)
      3. Tathandlung (herstellen, einführen, lagern, in Verkehr bringen, anpreisen, ausstellen, anbieten, zeigen, überlassen oder zugänglich machen (Abs. 1) erwerben, sich sonst wie beschaffen oder besitzen (Abs. 1bis))
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz (bzgl. der Tathandlung)
      2. Weitere Merkmale (ggf. Handeln aus Gewinnsucht (Abs. 3))
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld

 

Art. 136 Verabreichung gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder

Art. 136 ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Praktische Beispiele dieses Tatbestandes sind Alkohol, Zigaretten, Lösungsmittel zum Schnüffeln, Medikamente oder Gras.

  1. Tatbestand
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Tätereigenschaft (jedermann)
      2. Tatobjekt (ein Kind unter 16 Jahren)
      3. Tathandlung (Stoffe, in zur Gefährdung der Gesundheit geeigneten Mengen, verabreichen oder zum Konsum zur Verfügung stellen)
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz (bzgl. der Handlung)
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld
Gefährdungsdelikte Strafrecht # 3

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