Der Tatbestand – vorsätzliche vollendetes Erfolgsdelikt

 

Dies ist nur der Tatbestand des vorsätzlich vollendeten Erfolgsdeliktes als Prüfschema. Rechtswidrigkeit, Schuld und sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen werden in zukünftigen Zusammenfassungen behandelt.

  1. Tatbestand
    1. Objektiver Tatbestand (was gesehen wurde)
      1. rechtlich relevante Tathandlung (Was der Täter tat (1))
      2. Eintritt des Tatbestandlichen Erfolges (Ist der Erfolg eingetreten, sonst Versuch)
      3. Kausalität (zurückzuführen auf den Täter (2))
      4. objektive Zurechnung (Hat der Täter ein Risiko geschaffen? (3))
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz (Wissen und Willen der Tatbestandsverwirklichung (4))
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld
  4. Ggf. sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen

 

(1) rechtlich relevantes Verhalten 

Tathandlung Definition: Jedes Handeln, das in der Lage ist einen strafrechtlichen Erfolg herbeizuführen.

Nicht rechtlich relevant wurde gehandelt bei:

−Bewegungen im Schlaf, im Zustand der Bewusstlosigkeit oder unter Hypnose
−Handeln im schweren Rauschzustand
−Echte Reflex- und Krampfbewegungen (in Abgrenzung zu unterbewusst gesteuerten bzw. automatisch ablaufenden Verhaltensweisen)
−Fälle der vis absoluta (zB. Ich wurde gestossen)
−Fälle der vis compulsiva (zB. Ich wurde genötigt/gezwungen)

 

(2) Kausalität (zurückzuführen auf den Täter)

Definition Kausalität: Alles ist kausal, was nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt. (gibt es eine logische Verbindung zwischen Verhalten und Erfolg dann Kausalität (+))

Kausalitätsausnahmen

Grundsätzlich sind alle Personen und ihre Handlungen zu trennen. Achtung Ausnahmen hier!

Kumulative Kausalität

F und T füllen je 50% der Giftmenge in die Flasche von M.

Kausalitätsprüfung:
Wäre M gestorben, wenn nur F ihre Giftmenge gegeben hätte – Nein.
Wäre M gestorben, wenn nur T ihre Giftmenge gegeben hätte – Nein.

Beide allein haben M nicht umgebracht aber beide zusammen schon

Kumulative Kausalität greift ein und man nimmt beide Giftmengen zusammen.

Doppelkausalität

F und T füllen je 100% der Giftmenge in die Flasche von M.

Beide allein hätten M schon umgebracht. Ist das Verhalten der einen Person deshalb nicht mehr kausal, weil es eh nicht mehr draufankam?

Nein, Doppelkausalität greift und beide Verhalten gelten als kausal!

Vermittelte Kausalität

A bewahrt seine Dienstwaffe unabgeschlossen auf, nur dadurch kann B sie nehmen, laden und jemanden verletzen.

Hätte A die Waffe gar nicht erst falsch gelagert, wäre es für B nie möglich gewesen sie zu laden und zu verletzen. A hat somit eine vermittelnd Kausale Handlung begangen.

Überholende Kausalität

A möchte B erschiessen, der über die Strasse geht und in diesem Moment von einem Fahrzeug des C überfahren wird. C kann sich nicht rausreden mit: «Wenn ich ihn nicht überfahren hätte, wäre er trotzdem gestorben» Es greift die Überholende Kausalität und somit ist sein Verhalten Kausal

Hypothetische Kausalität

A stirbt bei Autounfall, verpasst dadurch seinen Flug, der auch abstürzt.

Ersatzursachen wie der Flugzeugabsturz verhindern nicht, dass der Autounfall als Kausal angesehen wird.

Alle Kausalitäts-Spezialfälle:

  • Kumulative Kausalität
  • Doppelte Kausalität
  • Hypothetische Kausalität
  • Überholende Kausalität
  • Vermittelnde Kausalität

 

(3) Objektive Zurechnung (Hat der Täter ein Risiko geschaffen?)

Natürliche Kausalität führt zu endlos langen Kausalitätsketten, obj. Zurechnung grenzt diese ein.

Zwei Fragen der objektiven Zurechnungsprüfung:

1. Hat der Täter ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen?
2. Hat sich das Risiko im Erfolg verwirklicht?

Wenn beide Fragen mit «JA» zu beantworten sind, ist die Objektive Zurechnung erfüllt!

Ausnahmen der Objektiven Zurechnung:

Hat der Täter ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen? NEIN bei:

  • Rechtlich erlaubtes Risiko: Flugticket verschenken, Flugzeug stürzt dann ab.
  • Risikoverringerung: A möchte B auf den Kopf hauen. C lenkt den Schlag auf die Schulter ab.
  • Nicht beherrschbare Handlungsabläufe/atypischer Geschenhensablauf: Jemanden ins Gewitter schicken, vom Blitz getroffen.
  • Marginaler Beitrag zur Entstehung- / Steigerung des Risikos: Hupen im Strassenverkehr, das dazu geführt hat, dass der gereizte Raser durchgedreht ist und ein Kind überfahren hat.
  • Eigenverantwortlichkeit des Opfers: Das Opfer kommt ins Spital verweigert dort aber kleiner lebensrettender Eingriff oder Bluttransfusion.

Hat sich dieses Risiko im Delikterfolg verwirklicht? NEIN bei:

  • Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos: Strassenverkehr
  • Delikterfolg fällt nicht in den Verantwortungsbereich des Täters:

 

(4) Vorsatz (Wissen und Willen der Tatbestandsverwirklichung)

Subjektiver Tatbestand

Der Tatbestand, Wissen, Willen, Stärke des Vorsatzes, Sich abfinden mit/ in Kauf nehmen, anstreben, Erkenntnis der Möglichkeit, Sicheres Wissen, dolus eventualis, dolus directus 1. Grades, Dolus directus 2. Grades,
Tabellarische Darstellung der Vorsatzformen

Vorsatz muss zur Zeit der Tat gegeben sein

Dolus directus 1. Grades: Erfolg ist notwendiges Zwischenziel oder Endziel des Täters
Dolus directus 2. Grades: Erfolg wird als sichere Folge der Tat eintreten
Dolus eventualis: Der Erfolg wird als ernsthafte Möglichkeit wahrgenommen

Abgrenzung zu Fahrlässigkeit

Bewusste Fahrlässigkeit: Erfolg ist zwar möglich, der Täter glaubt aber nicht ernsthaft daran, dass er eintreten wird («Ach das wird schon nicht passieren)

Unbewusste Fahrlässigkeit: Dass der Erfolg eintreten kann wurde nicht erkannt, hätte aber erkannt werden müssen.

Indizien für vorsätzliches Verhalten

Wenn der Sachverhalt keine ausdrücklichen Angaben enthält.
Weil es sich bei Vorsatz um den subjektiven Tatbestand handelt, weiss man nicht was der Täter dachte, so muss man anhand von objektiven Umständen oder Indizien herausfinden versuchen, was seine Gedanken waren.

Der einzige wirkliche Unterschied zwischen bewusster Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz ist die Willenskomponente. Die Wissenskomponente ist in beiden Fällen gleich. 

 Der Tatbestand, Wissenselement, Willenselement, Affekt, Motiv, Persönlichkeit, Psychische Verfassung, Gefährlichkeit des Verhaltens, Nähe des Verhaltens zum Delikterfolg,
Indizien für vorsätzliches Verhalten nach Wissens- und Willenselement
Der Tatbestand Strafrecht # 5
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