Schuld und Entschuldigungsgründe
Grundsätzlich geht man von der Schuldfähigkeit des Täters aus. Es kann allerdings auch sein, dass der Täter nicht schuldhaft handelt, wenn er nicht schuldfähig/ einsichtsfähig (Art. 19) ist, das Unrechtbewusstsein (Art. 21) nicht hatte, oder das Normgemässe Verhalten für ihn nicht zumutbar war.
Definition: Schuld ist die Vorwerfbarkeit der Normverletzung
Prüfschema Schuld
- Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Täter muss schuldfähig sein (Art. 19)
- Täter muss Unrechtsbewusstsein haben (Art. 21/ Art. 13)
- Das Normgemässe Verhalten muss für den Täter zumutbar sein
- Entschuldbare Notwehr (Art. 16)
- Entschuldbarer Notstand (Art. 18)
- Ggf. sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen
Alle drei Punkte müssen kumulativ erfüllt sein, sobald einer nicht erfüllt ist, tritt Schuldunfähigkeit ein.
1. Schuldfähigkeit (Art. 19)
Schuldfähigkeit gemäss Art. 19 muss zum Tatzeitpunkt gegeben sein.
Grundsätzlich ist Handeln ohne Schuldfähigkeit nicht strafbar.
Ausnahme: Bestrafung trotz Schuldunfähigkeit aufgrund von Art. 19 Abs. 4 – actio libera in causa.
Arten der a.l.i.c.
Vorsätzliche a.l.i.c. – Es kann nur ein Vorsatzdelikt bestraft werden.
Fahrlässige a.l.i.c. – Es kann nur ein Fahrlässigkeitsdelikt bestraft werden.
Vorsätzliche a.l.i.c. Konstellationen
- Der Täter hat den Zustand der Schuldunfähigkeit vorsätzlich herbeigeführt um ein Delikt begehen zu können.
- Er hat den Vorsatz in diesem Zustand eine Straftat zu begehen.
Fahrlässige a.l.i.c. Konstellationen
Der Täter berauscht sich vorsätzlich und erkennt fahrlässig nicht, dass er in diesem Zustand ein Delikt begehen könnte
- Der Täter berauscht sich fahrlässig und erkennt fahrlässig nicht, dass er in diesem Zustand ein Delikt begehen könnte
- Der Täter, der beabsichtigt ein Delikt zu begehen, berauscht sich fahrlässig
Weder vorsätzliche noch fahrlässige a.l.i.c. – (Art. 263 StGB)
Der Täter hat keinen Tatvorsatz und der Täter kann nicht voraussehen, dass er im berauschten Zustand ein Delikt begehen könnte. Somit wäre er vollkommen schuldunfähig. Der Gesetzgeber hat deshalb den Spezialtatbestand Art. 263 eingeführt, der diese Fälle auffängt und milder bestraft.
2. Unrechtsbewusstsein des Täters
Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Art. 21 / Art. 13)
Bei den Irrtümern muss grundlegen zwischen Sachverhaltsirrtum und Verbotsirrtum unterschieden werden.
Sachverhaltsirrtum = verkennt der Täter ein Merkmal des Sachverhaltes. Er weiss nicht was er tut.
Verbotsirrtum = wusste der Täter nicht was legal und illegal ist.
Glaubt der Täter, das Pflücken von Edelweiss sei erlaubt (Verbotsirrtum)
Verwechselt der Täter Edelweiss mit Gänseblümchen (Sachverhaltsirrtum)
Bei Unrechtsbewusstsein des Täters werden sowohl Sachverhaltsirrtümer, wie auch Verbotsirrtümer angesprochen.
3a) Entschuldbare Notwehr (Art. 16 Abs. 2)
- Überschreitung der Grenzen der Notwehr
- Es ist eine Überschreitung, wenn der Notwehrübende sich bei gegebener Notwehrlage nicht auf eine angemessene Verteidigung beschränkt (intensiver Notwehrexzess = zu hartes wehren – Strafmilderung möglich)
- Wenn eine Notwehrlage gar nicht gegeben ist. Angriff ist schon wieder vorüber/ noch nicht gestartet, bis Abwehr kommt (extensiver Notwehrexzess = zeitliche Überschreitung – Strafmilderung unmöglich)
- In entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff
- Nicht Schuldhaft beim asthenischen Affekt (= defensiver Charakter des Erregungszustandes)
- Schuldhaft bei einem sthenischen Affekt (= offensiver Charakter des Erregungszustandes)
Wenn kein Exzess vorliegt, hat sich der Täter gemäss Art. 15 rechtmässig verteidigt. (gerechtfertigt)
Ein intensiver Exzess mit asthenischem Affekt kann zu Strafmilderung führen. (Strafmilderung)
Ein intensiver Exzess mit sthenischem Affekt führt nicht zu Strafmilderung. (normale Bestrafung)
Ein extensiver Exzess führt nie zu Strafmilderung. (normale Bestrafung)
3B) Entschuldbarer Notstand (Art. 18)
- Notstandslage (Gefahr für ein Rechtsgut des Täters oder eines Dritten. Ex ante zu betrachten)
- Erforderlichkeit der Abwehrhandlung (nicht anders abwendbar)
- Unzumutbarkeit der Preisgabe des gefährdeten Gutes
- Wenn zumutbar: Art. 18 Abs. 1 StGB: Täter wird milder bestraft
- wenn unzumutbar: Art. 18 Abs. 2 StGB: Täter handelt nicht schuldhaft
- Handeln mit Rettungswillen (subsidiäres Verhalten)
Es ist immer unzumutbar sein Leben preiszugeben.