Eigentumsgarantie und Enteignungen

 

Die Eigentumsgarantie ist in Art. 26 BV verankert. Die Eigentumsgarantie ist im Gesetz nur knapp geregelt. Sie wird unterteilt in die drei Teilgehalte: Institutsgarantie, Bestandesgarantie und Wertgarantie.

 

Übersicht

  • Träger der Eigentumsgarantie
  • Die 4 Funktionen der Eigentumsgarantie
  • 3 Teilgehalte der Eigentumsgarantie
  • Einschränkungen in das Eigentum

 

Träger der Eigentumsgarantie

  • natürliche Personen
  • juristische Personen des Zivilrechts
  • Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit diese wie Private handeln

 

Die 4 Funktionen der Eigentumsgarantie

Abwehrfunktion ⇒ Bestandesgarantie
Institutionelle Funktion ⇒ Institutsgarantie
Entschädigungsfunktion ⇒ Wertgarantie
Programmatische Funktion ⇒ Art. 108 BV, Individueller Eigentumserwerb fördern, breite Streuung von Eigentum herbeiführen.

 

3 Teilgehalte der Eigentumsgarantie

 

Institutsgarantie

Der Staat soll das Rechtsinstitut «Eigentum» nicht abschaffen oder verändern dürfen. Der Kerngehalt des Art. 26 ist, dass jeder Anspruch auf Eigentum hat.
Der Kerngehalt wäre aushöhlt, wenn der Staat sich bspw. über konfiskatorische (wegnehmende) Steuern das Eigentum einer Person übermässig aneignet, weil er es ihm nach und nach entzieht.

Die Institutsgarantie kann gar nicht eingeschränkt werden, da es sich um den Kerngehalt des Grundrechts handelt.

 

Bestandesgarantie

Wichtigster Bestandteil – Abwehranspruch
Schutz konkreter Eigentumsrechte gegen unzulässige Eingriffe. Verbot für alle Staatlichen Organe die Eigentumsrechte zu stark zu beschränken. Ein Eingriff in die Bestandesgarantie liegt vor, wenn einer Person das Eigentum weggenommen wird, oder die Person ihr Eigentum nicht so gebrauchen kann wie sie es möchte.

Unter Eigentum i.S.d. Eigentumsgarantie versteht man:

  • vermögenswerte Rechte des Zivilrechts (Eigentum an Mobilien und Immobilien, Beschränkte dingliche Rechte, Obligatorische Rechte, Besitzrechte, Immaterialgüterrechte, Nachbarrecht)
  • vermögenswerte Rechte des öffentlichen Rechts (Sozialversicherungsrechtliche Ansprüche)
  • wohlerworbene Rechte des öffentlichen Rechts (Jagd- und Fischereirechte, Sondernutzungskonzessionen, Monopolrechte)
  • gewisse faktische Interessen (Vorteile und Chance aus tatsächlichen Gründen, Lage und Beschaffenheit eines Grundstückes, Gewinnchancen, Hoffnung auf Wertsteigerung)

nicht allerdings das Vermögen.

Eine Einschränkung ist mit den Voraussetzungen von Art. 36 BV möglich.

 

Wertgarantie Art. 26 Abs. 2

Der dritte Teilgehalt der Eigentumsgarantie gibt dem Enteigneten einen Anspruch auf Entschädigung (Wertersatz) für Eingriffe in die Bestandesgarantie, sofern eine zulässige formelle- oder materielle Enteignung vorliegt (Art. 26 Abs. 2 BV).

Achtung: Nicht jeder Eingriff in die die Bestandesgarantie löst einen Entschädigungsanspruch gemäss der Wertgarantie (Abs. 2) aus.

Es gilt der Grundsatz des vollen Wertersatzes: d.h. Bei entweder wird eine Entschädigung in vollem Umfange ausgesprochen oder gar keine Entschädigung. Halbe Entschädigungen gibt es nicht.

Entschädigungsanspruch bei öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen gibt es nicht.
Entschädigungsansprüche bei Einschränkungen der Institutssgarantie gibt es auch nicht, weil die Institutssgarantie sowieso niemals eingeschränkt werden darf.

 

Einschränkungen in das Eigentum

Es gibt 3 Formen von Eigentumsbeschränkungen: formelle– und materielle Enteignung, sowie öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen.

 

Formelle Enteignung

Einer Person wird das Eigentum entzogen. Sie bekommt volle Entschädigung. Die Eigentumsrechte gehen auf den Enteigner über.
Alle bei der Bestandesgarantie aufgeführten Rechte, können enteignet werden.

z.B. Enteignung von Grundeigentum, beschränkten dinglichen Rechten, Fahrnis, obligatorische Rechte, Nachbarrechte.

Enteignung der Nachbarrechte

Auch eine Enteignung der Nachbarrechte 679, 684 ZGB fällt unter die formelle Enteignung, dabei wird zwar keine Sache weggenommen, jedoch das Recht sich gegen übermässige Immissionen des Nachbars zu schützen. (wichtig bei Flugllärm-problemen)

Wenn die Immisionen des Gemeinwesens unvermeidbar sind, dann hat man keinen Anspruch auf Schutz durch Nachbarrechte. Unvermeidbar sind sie, wenn

  • Immissionen entstehen in einem öffentlichen Werk;
  • Untrennbar verbunden mit dem Betrieb des Werkes;
  • Lassen sich nicht vermeiden mit vernünftigem Aufwand.

Voraussetzungen einer Wertersatzpflicht des Gemeinwesens bei Nachbarscharrecht

3 Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen damit eine Enteignung ersatzpflichtig wird:

  1. mangelnde Voraussehbarkeit;
  2. Spezialität: Immissionen übersteigen das übliche Mass; (nur einzelne oder wenige Eigentümer sind speziell in ihrem Eigentum geschädigt)
  3. Schwere: Immissionen bewirken eine Schädigung von erheblichem Gewicht. (Entschädigung soll nicht für jeden kleinen Schaden/ Eingriff vergeben werden.)

Schadenberechnung

Grds. bekommt man Geldersatz und nur unter bestimmten Voraussetzungen Realersatz.
Der Schaden kann obj. oder subj. berechnet werden, d.h. entweder nur der Wert der Enteigneten Sache (obj.), oder auch der künftigen Schäden (subj.).

 

Materielle Enteignung

Einer Person wird das Eigentum belassen, aber es gibt einen schweren Eingriff in sein Eigentum. D.h. seine Verfügungsbefugnisse über sein Eigentum sind stark eingeschränkt und eine bestimmungsgemässe und wirtschaftlich sinnvolle Nutzung ist nicht mehr möglich. Eine in naher Zukunft rechtlich mögliche und wahrscheinliche Nutzung wird dem Eigentümer untersagt.

Ein schwerer Eingriff kann auch vorliegen, wenn eine Person schwerer als alle um ihn herum getroffen wird (Sonderopfer). Das wäre nämlich ein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot aus Art. 8 BV.
Bei Bauverboten muss mind. Ein Drittel des Grundstückes betroffen sein, sonst ist es ein leichter Eingriff.
Der materiell Enteignete bekommt volle Entschädigung.

Polizeilich motivierte Eigentumsbeschränkung

Eine Ausnahme bildet die polizeilich motivierte Eigentumsbeschränkung. Wenn Polizeigüter: Sicherheit, Ordnung, Gesundheit etc. gefährdet sind, kann eine Eigentumseinschränkung verlangt werden, welche Entschädigungslos hingenommen werden muss.

Ausnahmen

handelt es sich um einen besonders schweren Eingriff, welcher dem Schutz der Allgemeinheit dient, ist er doch entschädigungsbedürftig.

z.B. Bauzonenland wird zu nicht mehr Bauzone umgewandelt, Bauverbote auf Grundstück.
z.B. Wenn Haus dem Denkmalschutz zugeordnet wird und man plötzlich nicht mehr so über sein Eigentum verfügen kann wie man will.

 

Öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung

Eher leichte Eingriffe in das Eigentum. Nur Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse werden leicht beschränkt, das Eigentum bleibt, grds. schon beim Eigentümer. Sie bekommt keine Entschädigung.

z.B. Bauvorschriften mit Ästhetikklausel (Haus muss von aussen wie ein Chalet aussehen), Denkmalmassnahmen (Ein Fenster kann nicht gebaut werden)

 

Zulässigkeit von Eigentumsbeschränkungen (Art. 36 BV)

Eigentumsbeschränkungen, welche die Institutsgarantie verletzen, sind ein Eingriff in den Kernbereich und somit immer unzulässig.
Eigentumsbeschränkungen sind zulässig, wenn:

Gesetzliche Grundlage

Für schwere Eingriffe (formelle/ materielle Enteignungen) Gesetz im formellen Sinne gem. Art. 164 BV. Bsp. dafür sind Gesetz über die Nationalstrassen oder das Enteignungsgesetz selbst.
Für leichte Eingriffe (öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen), Verordnung.

Öffentliches Interesse

Verfassungsmässig anerkannte Interessen (Denkmalschutz, Naturschutz, Umweltschutz, Raumplanung, Landesverteidigung, Verkehr, Energie, Ausbildung, Spitäler) Wenn der Staat sich einfach bereichern will (Fiskalische Interessen) ist das kein öffentliches Interesse.

Verhältnismässigkeit

Eignung (Ob Standort geeignet ist), Erforderlichkeit (Ob es andere Standorte gibt) und Zumutbarkeit (Zweck-Mittel-Relation).

 

Verfahren der Enteignung

  1. Erteilung des Enteignungsrechts (Art. 2 EntG) (BV 36-Prüfung ob Enteignung durchgeführt werden darf. BR ist zuständig, BVer entscheidet, ob Enteignungsrecht auf Dritte übertragen wird.)
  2. Planauflageverfahren (Art. 27 ff. EntG)
    1. Planauflage (Plan, der zeigt, was soll wo wie enteignet werden)
    2. Erhebung von Einsprachen und Anmeldung von Forderungen der Betroffenen
    3. Enteignungsbann (Man hat Konsens was enteignet wird und wie es entschädigt wird, der Private darf nichts mehr an seinem Grundstück verändern)
  3. Einigungsverhandlung (Verwaltungsrechtlicher Vertrag)
  4. eventuell: vorzeitige Besitzeinweisung (Art. 76 EntG) (Der Enteigner kann sich den Besitz des Enteignungsobjekts schon vor Bezahlung der Entschädigungssumme aneignen, wenn ihm durch zuwarten grosse Nachteile entstehen würden)
  5. Entscheid über Einsprachen und Entschädigungen (Abschlussentscheid, dieser kann beim Bundesverwaltungsgericht und dieser Entscheid dann beim BGer angefochten werden.)
  6. Vollzug (Die Enteignung wird ausgeführt)
Eigentumsgarantie und Enteignungen Verwaltungsrecht # 13

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